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Meine 10 Leitsätze zur Selbstreflexion

„Ich hasse mein Leben“, „Nie läuft irgendetwas jemals gut für mich“, „Ich bringe immer alles durcheinander. Ich bin der Schlimmste.“, „Andere leben das beste Leben, während ich das schlechteste Leben aller Zeiten führe.“, „Du denkst, du hast es schlecht? Hör dir meine Geschichte an (weil ich es schlimmer habe als du).“, „Ich werde in diesem Loch leben und sterben. Ich werde es nie zu etwas bringen.“, „Es ist nicht meine Schuld, dass ich (ein toxisches Verhalten gezeigt habe). Es ist deine Schuld, dass du mich dazu gebracht hast, (ein toxisches Verhalten zu zeigen).“, „Ich war nicht immer (toxisch). Ich bin (toxisch) geworden wegen (jemandem oder etwas anderem).“, „Ich werde nie Liebe finden/einen Job bekommen/fit werden, weil ich ein erbärmlicher Verlierer bin.”

Hörst du dich oft so an? Sind deine häufigsten Gefühle Selbstmitleid und/oder Selbsthass? Herzlichen Glückwunsch, du steckst im, ich nenne es mal, Opfermodus fest.

Hier sind meine 10 einfachen Regeln, die ich benutze, um meinen faulen Arsch aus dem Opfermodus wieder herauszuziehen.

Ja, ich kann über die harte Woche sprechen, die ich hinter mir habe, oder darüber, dass ich eine schwere Zeit mit den Kindern habe oder dass mein Chef am Freitag nach Feierabend passiv-aggressive Abmahnungen ausspricht. Dafür sind Freunde und Familie aus meiner Sicht unter anderem auch da und das gehört zu einem gesunden Erfahrungsaustausch dazu.

1. Aufhören meine Persönlichkeit zum Ventil zu machen

Worauf ich aber keinen Bock mehr habe, ist es, meine Probleme zu meiner gesamten Persönlichkeit zu machen. Ich möchte mich nicht mehr so viel aufregen, dass ich dafür bekannt bin, dass ich mich (schon wieder) über dieses oder jenes Problem auslasse. Nicht alle Gespräche können sich um mein(e) wiederkehrende(s) Problem(e) drehen – es MUSS einen Punkt im der Raum-Zeit-Kontinuum geben, an dem ich etwas dagegen tue. Dazu gehört natürlich erstmal eine gesunde Selbstreflektion und die Erkenntnis das ich diesen Punkt vielleicht mal wieder erreicht habe.

2. Meine Freunde und Familie sind nicht meine Therapeuten

Freunde und Familie sollen mir in schwierigen Zeiten den Rücken stärken. Aber sie sind ganz normale Menschen. Sie kämpfen jeden Tag ihre eigenen Kämpfe. Sie können mir also nur in begrenztem Maße helfen. Es ist unfair, von meinen Freunden und meiner Familie zu erwarten, dass sie mir NUR helfen, indem sie mir den ganzen Tag lang zuhören, wie ich gottlos über irgendetwas aufrege.

zweipunkteins: Ich höre auf, sie um Rat zu fragen und mir die emotionale Arbeit abzunehmen, wenn ich KEINE Pläne haben, die erhaltenen Ratschläge umzusetzen.

zweipunktzwei: Sie sind keine Therapeuten, die dafür ausgebildet sind, mir die Betreuung zu bieten, die ich in extrem schwierigen Zeiten benötige. Es ist unfair, das von ihnen zu erwarten. Wenn ich es mir leisten kann, gehen ich zur Therapie. Wenn ich es mir nicht leisten kann, lese ich Bücher, Blogs und Reddit-Beiträge, die sich mit meiner Situation befassen, bis ich mir eine Therapie leisten kann. Ansonsten hilft es auch mal mit dem Hausarzt zu sprechen.

zweipunktdrei: Kommunikation funktioniert nur in beide Richtungen. Ich kannst nicht in einem Gespräch alles über meine Person gegenüber ausschütten und dann das Gespräch verlassen, weil ich mich leichter fühle. Ich höre auf verbale und nonverbale Signale.

3. Einnehmen einer aktiven Haltung

Eine zwanghafte „ich repariere das jetzt“-Haltung für die (derzeit) drängendsten Probleme meines Lebens.

Ich mache quasi ein Problembrainstorm – schreibe alle Probleme auf, die mir mein Leben im Moment ruinieren. Wähle für mich die DREI SCHLECHTESTEN aus und fange an, an ihnen zu arbeiten.

Manchmal sind drastische Veränderungen notwendig. Und manche Probleme sind einfach nicht zu beheben. Ein toxischer Job, den man nicht kündigen kann, weil man Geld braucht. Ein Elternteil, der Pflege braucht. Eine chronische Krankheit, die nur kontrolliert, aber nicht geheilt werden kann. Ich sage zu mir selbst, finde heraus, wie man damit leben und sich vor allem damit versöhnen kann, und arbeite stattdessen an Problemen die ich tatsächlich beeinflussen kann.

4. “Andere” sind nicht mein Maßstab für Erfolg

In den sozialen Medien wird der Irrglaube projiziert, dass die einminütigen Highlights der Menschen ihr wahres Leben sind. Zumindest habe ich das am Anfang so wahrgenommen. Niemand hat ein besseres oder schlechteres Leben im Gesamten. Es gibt Aspekte des Lebens, die besser oder schlechter sind als meins. Wenn jemand etwas hat, was ich nicht habe, gibt es jemanden, der etwas nicht hat, was ich habe.

Wie lange will ich im Kreis laufen und versuchen, das zu erreichen, was andere haben? Wie lange werde ich den Träumen anderer hinterherlaufen? Wann werde ich meinen eigenen Träumen hinterherlaufen? 

Das Leben von niemandem ist perfekt. Die Erde ist in meinen Augen nicht so konzipiert.

5. Die Welt ist nicht da draußen, um mich zu “kriegen”

Im Gegensatz zu dem, was die kleine Stimme in meinem Kopf mir manchmal weismachen will, ist NIEMAND da draußen, um mich zu holen (es sei denn, es geht um Stalking, Belästigung oder Vergleichbares). Ganz ehrlich: Niemand hat die Zeit, dich zu „holen“ – die Welt ist für uns alle gleich beschissen und das Leben ist generell ungerecht. Klingt jetzt erstmal mega pessimistisch, ist es aber eigentlich nicht. Nur realitisch.

Wenn ich eine toxische Person/Situation in Ihrem Leben ausmache, arbeite ich daran, sie zu lokalisieren und aus meinem Leben zu entfernen bzw. mit ihr zu kommunizieren. Isolierte Toxizität, die von einer Person oder einer Gruppe ausgeht, ist nicht das LEBEN, das mich holen will und darf.

Ich habe lange gebraucht um meine Blase zu verlassen, in der ich geglaubt habe, dass ich etwas Besonderes bin und dass jeder, der nicht mit mir übereinstimmte, ein fieser Hater ist.

6. Ich höre auf zu sagen “Ich hasse mein Leben”

Denn das tue ich nicht. Ich hasste das, was aus ihm geworden ist. Ich hasste, was ich daraus gemacht hatte. 

Wenn ich ein normales Leben führe, mit einem normalen Job, einer normalen Familie, normalen Problemen unterschiedlichen Ausmaßes, die nicht unerhört sind – also das Leben aller anderen Menschen, die sich im Internet über ihr Leben beschweren -, wenn ich dieses Leben führen, dann höre ich in der Regel auf zu sagen „Ich hasse mein Leben“. Wenn ich angefangen habe, mich vom Leben enttäuscht zu fühlen, versuche ich die Gründe dafür herauszufinden, anstatt einen allgemeinen Hass auf alles in meinem Leben zu empfinden. Warum habe ich das Gefühl, dass ich mein Leben hasse? Was kann ich daran ändern? Womit muss ich lernen, zu leben?

7. Ich höre auf Glaubenssätze á la “Ich werde bestimmt niemals (beliebige Aktivität) machen”

Wovon glaube ich, dass ich es nie erreichen werde? Warum glauben ich das? Was hält mich davon ab? Gibt es jemanden/etwas, der/das mich aktiv daran hindert? Kann das aufgehalten/beseitigt werden? Kann es vielleicht auch einfach umgangen werden?

Frühere Ablehnungen definieren mich nicht. Vergangene Ablehnungen definieren nur meine Vergangenheit. Wenn ich dieselbe Person bin, die ich in der Vergangenheit war, als ich abgelehnt wurde, werde ich wieder abgelehnt werden. Wenn ich ein anderer, besserer Mensch bin, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ich abgelehnt werde, drastisch, oder?

Ich bin ein Gehirn und ein Körper. Ich bin ein Mensch. Nicht mehr und nicht weniger. Warum werde ich keinen Partner bekommen? Warum werde ich keine Familie haben? Warum bekomme ich keinen Job? Ich bin nett und klug und bereit, mich aktiv anzustrengen. Ich bin weit voraus und bereits auf dem Weg mein Ziel zu erreichen.

8. Ich bin nur toxisch, weil ich mich dazu entschieden habe, toxisch zu sein

Negative Situationen im Leben wie der unnatürliche Tod eines geliebten Menschen, ein missbräuchlicher Partner, Demütigungen aufgrund des sozialen Status usw. verbittern Menschen oft so sehr, dass ihre Reaktion auf diese negative Situation zu ihrer gesamten Persönlichkeit wird.

Es ist günstig für die Evolution, wenn wir aus unseren Fehlern der Vergangenheit lernen und unsere Schutzmechanismen einrichten. Aber wenn man verbittert, zynisch und hasserfüllt ist, vertreibt man meiner Meinung nach nur alle potenziell positiven Erfahrungen von sich. Wenn ich zum Beispiel anfange, „alle Frauen zu hassen“, weil meine Ex-Freundin mich betrogen hat, vertreiben ich aktiv alle und damit auch potentielle “gute” Frauen aus meinem Leben.

Negative Situationen ziehen negative Reaktionen nach sich. Aber ich wähle meine Reaktion. Ich entscheide, wie lange sie dauert. Ich entscheide, ob es eine Reaktion bleibt oder irgendwann Teil meiner Persönlichkeit wird.

9. Sich entschuldigen und weitermachen/nicht aufhören

Ich bin ein Mensch. Es ist mir erlaubt, Fehler zu machen. Das einzige, was ich nicht tun darf, ist, keine Verantwortung für mich und meine Fehler zu übernehmen.

Ich schaue nach innen. Mein Herz weiß es, mein Körper weiß es, ich selber weiß es – Ich habe einen Fehler gemacht. Ich entschuldige mich von ganzem Herzen und gehe weiter. Es macht mich nicht zu einem kleineren oder schwächeren Menschen, wenn ich meine Fehler akzeptiere. Es macht mich größer und strahlender. Ein kleiner Mensch ist immer einer, der denkt, er sei zu groß, um seine Worte zu gebrauchen und sich zu entschuldigen und zu bedanken.

10. Ich möchte keinen Wettkampf daraus machen, dass mein Leben im Moment noch schlimmer ist

Beispiel: Ein Freund beschwert sich über seine Schwiegereltern? Ich muss das nicht auf mich beziehen, indem ich mich noch lauter über meine Schwiegereltern beschwere.

Gespräche über schlechte Lebensumstände sind keine Wettbewerbe. Sie sind ein Raum, in dem man sich einfühlen, zuhören und Ratschläge geben kann. Ich habe vielleicht das Gefühl, dass ich mich auf meine Schwiegereltern beziehe, aber ich versuche nur, den eigentlichen Erzählenden zu übertrumpfen. Und in was? Einem Wettbewerb, den ich mir ausgedacht habe, um herauszufinden, wer jetzt ein schlechteres Leben hat?

Niemandes Geschichte dreht sich um mich. Es geht um den Erzählenden. Dass lasse ich gewähren. Mein Leiden kann bis zum Ende der Geschichte der Person gegenüber oder für den Tag in den Hintergrund treten. So einfach.

DISCLAIMER:

Dies ist nur (m)ein allgemeiner Rat für Menschen, die sich fragen, ob sie sich selbst zum Opfer machen oder ob ihr Leben einfach irreparabel ruiniert ist. Dies ist kein „Reiß dich zusammen, denn Depressionen oder Vergleichbares sind nicht real“. 

Dies ist nur ein Ratschlag. 

Wenn deine Lebensqualität aufgrund einer psychischen Krankheit, toxischer oder missbräuchlicher Familienmitglieder oder Freunde, sexuellen Missbrauchs, toxischer Arbeitsbedingungen oder schlechter körperlicher Gesundheit bedroht ist, dann kann dieser Beitrag nicht helfen, das Problem zu lösen. Er kann bestenfalls als Weckruf dienen.

Ich möchte deinen persönlichen Kampf damit nicht entkräften. Aber da ich ähnliche Situationen meistern musste und schlussendlich auch gemeistert habe, möchte ich meine Tipps für einen besseren Umgang teilen.