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Multiple Sklerose & Ausdauersport

Wer mich etwas näher kennt, weiß, dass es mir gelegentlich schwer fällt mich kurz zu fassen. Was eigentlich ein Oxymoron ist, da ich generell nicht sehr gerne viel spreche. Bei meinen Blogartikeln versuche ich Hintergründe und Zusammenhänge vereinfacht und mit Humor darzustellen. Bei ernsteren Themen kann der Humor sehr spärlich zu finden sein, dass bitte ich an der Stelle zu entschuldigen. Wie dem auch sei, zum oben genannten Thema habe ich den Artikel wie folgt aufgebaut und du kannst durch klicken direkt zu den Abschnitten springen. Für den Zusammenhang empfehle ich dir aber, dir Zeit zu nehmen und chronologisch zu lesen. ♥

Und nun rein in den Artikel.

Warum dieser Artikel wichtig ist

„Du hast MS, schon dich lieber.“
Ein Satz, den viele Menschen mit Multiple Sklerose immer wieder hören. Gut gemeint, aber oft kontraproduktiv. Denn wer sich dauerhaft zurückzieht, verliert nicht nur körperliche Kraft, sondern auch Selbstwirksamkeit und Lebensfreude. Richtig dosierte Bewegung kann gerade bei chronischen Erkrankungen ein echter Gewinn sein.

Dieser Artikel richtet sich an alle, die mit MS leben und trotzdem in Bewegung bleiben wollen. An alle, die erleben, dass ihr Körper manchmal anders reagiert als erwartet, aber dennoch nicht aufgeben möchten. An alle, die nicht in starrer Planung leben, sondern lernen wollen, mit ihrem Zustand flexibel und kraftvoll umzugehen.

Ich teile hier persönliche Erfahrungen mit Ausdauersport und MS, fundierte Infos und praktische Tipps, wie du Grenzen erkennst, Ziele neu formulierst und trotz MS regelmäßig trainieren kannst. Dabei geht es nicht um Hochleistung, sondern um Lebensqualität und um echte Fortschritte im Alltag, nicht (nur) auf der Stoppuhr.

Denn Bewegung ist mehr als Kalorienverbrauch oder Wettkampf. Bewegung ist auch Teilhabe. Freiheit. Bestätigung. Struktur. Und manchmal ist sie eben auch genau das Gegengewicht, das die Diagnose MS erträglicher macht.

Was bedeutet MS eigentlich für Körper & Psyche?

MS ist nicht gleich MS

Multiple Sklerose ist eine autoimmune, chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Sie betrifft bei jeder Person andere Bereiche, verläuft individuell und ist oft schwer vorhersehbar. Für manche beginnt der Tag mit klaren Gedanken und leichten Schritten, für andere mit Fatigue, Schwindel oder Spastik. Das Spektrum reicht von kaum spürbaren Symptomen bis hin zu massiven Einschränkungen im Alltag. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist körperliche Bewegung bei MS keine Ausnahme, sondern oft eine unterschätzte Therapieform.

Körperliche Herausforderungen durch MS

Fatigue: Die „unsichtbare Erschöpfung“, die viele MS-Betroffene begleitet, ist anders als normale Müdigkeit. Sie kommt plötzlich, ist nicht durch Schlaf zu beheben und beeinflusst Leistung stark.
Muskeltonus und Spastik: Viele erleben Verspannungen, Koordinationsprobleme oder einseitige Schwäche. Das kann sich mit Bewegung verbessern oder verschlechtern, wenn man das Ganze falsch dosiert.
Gleichgewicht und Koordination: Das Radfahren, Laufen oder sogar zügiges Gehen kann zur echten Herausforderung werden.
Temperatursensibilität: Hitze kann Symptome verstärken, ein Phänomen namens Uhthoff-Symptomatik.
Kognitive Einschränkungen: Konzentrationsschwäche oder verlangsamte Reizverarbeitung können das Training beeinflussen.

Das bedeutet ganz einfach: Trainingspläne von der Stange funktionieren nicht. Du brauchst individuelle Anpassung, flexible Tagesplanung und viel Selbstbeobachtung.

Mentale Belastung: Unsichtbare Barrieren

MS wirkt sich nicht nur körperlich aus – sie beeinflusst auch das Denken und Fühlen. Viele erleben Phasen von
Zweifel: „Schaffe ich das heute wirklich?“
Scham: „Was denken andere, wenn ich nicht mithalten kann?“
Angst: vor Schüben, Rückschlägen, sichtbaren Symptomen.

Sport kann helfen, diese Muster zu durchbrechen. Bewegung macht handlungsfähig. Sie gibt Struktur, Selbstvertrauen und ein Gefühl von Kontrolle, zumindest über den Moment.

Warum Bewegung bei MS hilft

Zahlreiche Studien zeigen, dass regelmäßige Bewegung MS-Symptome positiv beeinflussen kann die Gehfähigkeit und Muskelkraft verbessern, Fatigue durch gezieltes Ausdauertraining reduzieren, das Immunsystem stärken, Schlaf, Stimmung und Lebensqualität verbessern und kognitive Fähigkeiten erhalten. Dabei gilt: Es kommt nicht auf Leistung an, sondern auf die Kontinuität. Ein 20-minütiger Spaziergang jeden Tag ist in dem Zusammenhang wertvoller als ein intensives Training pro Woche.

Der erste Schritt: Nicht vergleichen, sondern beginnen

Viele Menschen mit MS haben vorher Sport gemacht oder vergleichen sich mit ihrer früheren Leistungsfähigkeit. Doch der Einstieg mit MS braucht eine neue Haltung: Löse dich bitte von: „Was konnte ich früher?“ und versuche mal umzudenken in „Was geht heute?“. Kleine Schritte, realistische Ziele und Akzeptanz der Tagesform sind für mich entscheidend. Es geht nicht um Wettbewerb, sondern darum, deinen Weg zu finden, im eigenen Rhythmus.

MS verändert vieles, das ist sicher jedem klar, aber nicht alles. Dein Körper ist nicht dein Feind. Bewegung ist nicht ausschließlich Luxus, sondern auch eine Form der Selbstfürsorge. Ausdauersport kann bei MS eine Brücke sein: zwischen der Krankheit und dem, was noch möglich ist. Vielleicht ist es nicht mehr wie früher, aber das heißt nicht, dass es schlechter ist. Es ist einfach anders. Und damit beginnt dein neuer Weg.

Warum Ausdauersport bei MS sinnvoll (und möglich) ist

Bewegung als Therapie, nicht als Belastung

Wer mit MS lebt, hat oft gelernt: „Schone dich.“ Doch moderne Studien zeigen genau das Gegenteil: Gezielte körperliche Aktivität kann Symptome lindern, das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und das allgemeine Wohlbefinden deutlich verbessern.
Gerade Ausdauersport bei MS, also regelmäßige, moderate Belastung über längere Zeit hat einen besonders positiven Effekt auf Körper und Geist. Aber: Es braucht ein individuelles Maß, regelmäßige Reflexion und ein grundlegendes Verständnis davon, wie Bewegung bei MS wirkt.

Wissenschaftlich belegt: Die Vorteile von Ausdauersport bei MS

Zahlreiche Studien und Leitlinien u. a. der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) und der National MS Society (USA) – bestätigen:

Fatigue kann reduziert werden, mit regelmäßigem Ausdauertraining verbessert sich die Energieverwertung und hilft, die Schwere und Dauer der Fatigue zu verringern. Muskelkraft und Mobilität steigen, auch wenn MS Nervenbahnen angreift, können Muskeln trainiert und gestärkt werden. Wer was anderes erzählt lügt. Gleichgewicht und Koordination verbessern sich, besonders durch Radfahren, Schwimmen oder Walking geht’s massiv voran im Bewegungsapparat. Kognitive Fähigkeiten profitieren davon auch, also Konzentration, Merkfähigkeit und geistige Klarheit können durch Training stabilisiert werden. Stimmung und Psyche werden stabiler. Die Endorphinausschüttung, eine reduzierte Depressionsneigung und das Gefühl von Selbstwirksamkeit wirken stabilisierend auf die Seele. Klingt erstmal ein bisschen esoterisch, ist aber etwas Wahres dran.

Welche Ausdauersportarten bei MS besonders geeignet sind

Die beste Sportart bei MS ist die, die du gerne machst und regelmäßig durchführst. Dennoch gibt es bewährte Empfehlungen:

Radfahren (Indoor oder Outdoor)

Gelenkschonend, gute Steuerbarkeit der Intensität, auch mit Gleichgewichtseinschränkungen machbar (z. B. mit E-Bike oder Liegerad)

Gehen, Walken, Wandern

Ideal für tägliche Bewegungseinheiten, keine Ausrüstung nötig, anpassbar an Gelände, Tempo, Tagesform

Schwimmen oder Aquafitness

Besonders bei Hitzeempfindlichkeit vorteilhaft, das Wasser trägt dein Körpergewicht → weniger Belastung für Gelenke und Muskulatur, fördert Beweglichkeit und Koordination

Crosstrainer oder Ergometer

Kontrollierte Umgebung (z. B. bei Fatigue, Wetterempfindlichkeit), gut für strukturierte Einheiten im niedrigen Pulsbereich

Herzfrequenzbasiertes Training: Der Schlüssel zur Balance

Ein entscheidender Faktor beim Training mit MS ist das richtige Maß. Zu wenig bringt keine Effekte , zu viel kann deine Symptome verstärken. Herzfrequenzbasiertes Ausdauertraining im Bereich der sogenannten Zone 2 (ca. 60–70 % der maximalen Herzfrequenz) ist ideal, da es zu Verbesserungen der aeroben Leistungsfähigkeit beiträgt und eine geringe Belastung für das zentrale Nervensystem darstellt. Das führt langfristig automatisch zu Energieeffizienz in deinem Körper. Katsching! Mein Tipp am Rande: Nutze eine Pulsuhr und tracke deine Einheiten, dass gibt dir zusätzliche Sicherheit und hilft dir, deine Grenzen früh zu erkennen.

Der Mythos „Schübe durch Sport“

Früher herrschte der Irrglaube, körperliche Anstrengung könne Schübe auslösen. Heute weiß man: Das ist nicht haltbar. Richtig ist: Sport kann Symptome kurzfristig verstärken, z. B. durch Hitze, Überlastung oder zu schnelle Steigerung. Diese Verschlechterungen sind funktionell und reversibel, also einfach mal kein neuer Schub. Langfristig senkt moderates Ausdauertraining sogar das Schubrisiko. Voraussetzung dabei ist die Rücksicht auf die Tagesform, achte also bitte darauf dich nicht zu überfodern und stets auf eine gute Regeneration.

Realistische Erwartungen statt Perfektion

Viele Menschen starten motiviert und scheitern an zu hohen Erwartungen. Gerade bei MS ist wichtig: Plane flexibel, nicht starr. Akzeptiere Rückschritte als Teil des Prozesses. Feier deine Konstanz ab, nicht deine Höchstleistungen. Ein 15-Minuten-Spaziergang zählt genauso wie eine Stunde Radfahren. Konsistenz schlägt Intensität. Immer.

Bewegung als Selbstermächtigung

Wer mit MS Sport treibt, trainiert nicht nur Muskeln – sondern vor allem seinen Willen, das eigene Leben zu gestalten. Bewegung bedeutet: Ich bleibe handlungsfähig Ich akzeptiere meinen Körper in seinem aktuellen Zustand. Ich bestimme selbst, was ich heute tue, nicht die Krankheit. Diese Haltung verändert alles. Sie macht aus „Ich kann das nicht mehr“ ein „Ich kann es anders“.

Ausdauersport bei MS ist nicht nur möglich, sondern sogar sehr sinnvoll, heilsam und stärkend. Die Wissenschaft belegt es. Die Erfahrung bestätigt es. Und dein Körper wird es dir danken, wenn du ihm mit Achtsamkeit, Konsequenz und Gelassenheit begegnest. Wichtig ist doch nicht, wie schnell du bist oder wie weit du kommst. Wichtig ist, dass du dich bewegst, auf deine Weise, in deinem Tempo, mit deinem Ziel.

Grenzen akzeptieren, ohne aufzugeben

Akzeptanz ist kein Aufgeben, sondern meist der Anfang

Einer der schwersten Sätze für viele Menschen mit MS lautet: „Ich kann das nicht (mehr).“ Er kratzt am Selbstbild, am Stolz, an der Identität. Doch wer Ausdauersport mit einer chronischen Erkrankung machen will, kann lernen, Grenzen zu erkennen und anzunehmen, ohne zu resignieren. Grenzen zu akzeptieren heißt nicht, sich klein zu machen. Es bedeutet, ehrlich hinzusehen: Was geht heute? Was nicht? Und was davon kann ich mit etwas Geduld oder anders angehen? Das Ziel ist eine Haltung, die auf Selbstkenntnis beruht und nicht auf Selbstzweifel.

Grenzen sind dynamisch

MS verläuft schubweise oder chronisch-progredient. Symptome kommen, verschwinden und verändern sich. Das bedeutet: Deine körperlichen Möglichkeiten sind nicht statisch. Was gestern leicht war, kann heute schwer sein und morgen wieder leichter. Wer das akzeptiert, lernt den Kopf nicht in den Sand zu stecken, wenn’s mal nicht läuft. Beispiel: Du wolltest 60 Minuten Rad fahren, aber spürst nach 20 Minuten einen Einbruch? Dann ist der Cut kein Scheitern, sondern ein starkes Zeichen für Körperbewusstsein. Easy 29 Minuten Rad fahren abgehakt.

Zwischen Disziplin und Selbstfürsorge

Ein häufiges Missverständnis: Wer chronisch krank ist, muss besonders „hart“ trainieren, um mithalten zu können. Doch in Wahrheit liegt der Schlüssel im achtsamen Umgang mit deinem System: Disziplin heißt, regelmäßig Bewegung in dein Leben zu integrieren. Selbstfürsorge heißt, auf Signale zu hören und Pausen zuzulassen. Trainingsprotokolle, Tagebücher oder Tracking-Apps helfen, Muster zu erkennen. Du lernst, zwischen innerem Schweinehund und echter Erschöpfung zu unterscheiden. Tipp: Notiere nicht nur, was du trainiert hast sondern auch, wie du dich vor, während und nach der Einheit gefühlt hast. Mache ich nun schon jahrelang und es ist immer wieder spannend zu sehen wenn man mal zurück geht und außerdem reflektiert es die Trainings direkt.

Warnsignale des Körpers früh erkennen

Gerade bei MS ist es entscheidend, feine Körpersignale früh wahrzunehmen:

  1. Plötzlicher Leistungsabfall trotz guter Vorbereitung
  2. Ungewöhnliche Erschöpfung nach leichten Belastungen
  3. Gleichgewichtsstörungen oder Koordinationsprobleme
  4. Verschwommene Sicht oder Sensibilitätsstörungen bei Belastung (Uhthoff-Phänomen)

Das sind keine Zeichen von Schwäche sondern wertvolle Hinweise. Wer sie ignoriert, riskiert Rückschläge. Wer sie respektiert, trainiert langfristig intelligent und stabil.

Trainingstagebuch & Checklisten können deine Tools zur Selbstregulation sein

Ein gutes System hilft dir, Grenzen besser zu verstehen. So könnte dein persönlicher Check vor jeder Einheit aussehen:

  • Wie viel habe ich heute schon körperlich und emotional geleistet?
  • Wie gut habe ich geschlafen?
  • Wie hoch ist meine innere Motivation auf einer Skala von 1–10?
  • Habe ich Symptome oder Frühwarnzeichen?
  • Welche Trainingsform passt heute realistisch?

Aufgeben wäre einfach, aber nicht notwendig

Natürlich gibt es Tage, an denen du gar nichts tun kannst. Das ist okay. Was du aber nicht tun solltest: Dich selbst dafür verurteilen. Oder gar den Sport ganz aufgeben, weil es „eh nichts bringt“. Wahrheit ist: Jeder Schritt, jede Bewegung zählt. Auch das Denken über deinen Körper ist Training. Und jedes bewusste Aussetzen ist auch Teil deines Fortschritts.

Wenn du vergleichen willst, dann mit dir und nicht mit anderen

Der größte Feind deiner Motivation kann der Blick nach außen sein: „Der läuft Marathon, ich schaffe nur 3 km.“, „Sie fährt 100 km mit dem Rad, ich bin nach 30 k.o.“,„Er schwimmt so schnell.“ Vergleiche bringen nichts außer Frust. Vergleich dich lieber mit dir selbst: Wo warst du vor 4 Wochen? Wie hast du dich vor einem Jahr gefühlt? Was kannst du heute besser steuern oder verstehen? Feier kleine Fortschritte. Sie sind oft die ehrlichsten Erfolge.

Sprache verändert Haltung

Wie du über deine Grenzen denkst und sprichst, hat Einfluss auf dein Verhalten. Sag nicht: „Ich darf das nicht.“
Sondern: „Ich entscheide mich heute für eine Pause.“ Sag nicht: „Ich kann das nicht.“ Sondern: „Ich kann es anders machen.“ Diese kleinen sprachlichen Änderungen helfen, die Kontrolle zu behalten auch wenn der Körper etwas anderes will.

Die Kraft des Plan B

Ein entscheidender mentaler Trick: Immer einen Plan B haben. Wenn du statt der geplanten 5 km zu Fuß plötzlich spürst, dass heute nichts geht: Vielleicht passt ein Spaziergang mit Musik? Oder ein Mobility-Workout auf der Matte? Plan B ist keine Notlösung. Er ist Teil eines intelligenten, flexiblen Systems, das auf Dauer funktioniert und nicht nur bei Schönwetter und guten Tagen. Grenzen akzeptieren ist kein Zeichen von Schwäche sondern von Stärke. Es zeigt, dass du deinen Körper kennst, dass du Verantwortung übernimmst und dass du langfristig denkst. Wenn du lernst, deine Belastbarkeit realistisch einzuschätzen, öffnet sich eine neue Welt: nicht voller Verbote, sondern voller Alternativen. Und mit jedem Training, das angepasst, ehrlich und flexibel ist, wächst deine Fähigkeit, dich trotz MS frei zu fühlen. Deine Grenze ist nicht dein Ende.

Ziele verschieben und neue Wege im Sport finden

Wenn alte Ziele nicht mehr passen

Vielleicht warst du früher ambitioniert: Halbmarathon, Rennradrennen, persönliche Bestzeiten. Und jetzt? Jetzt fühlt sich schon der Gedanke an einen 5-Kilometer-Lauf wie ein Berg an. Das kann schmerzen und dennoch der Beginn von etwas Neuem sein. Mit MS Ziele zu verschieben, ist kein Rückschritt sondern ein Perspektivwechsel. Es bedeutet, nicht aufzugeben, sondern neu zu bewerten: Was motiviert mich heute? Was passt zu meiner Lebensrealität? Welche Ziele bringen mir Freude und nicht nur Druck?

Von Leistung zu Lebensqualität

In der klassischen Sportwelt geht es oft um: schneller, weiter, härter. Für Menschen mit chronischer Krankheit ist das oft weder realistisch noch hilfreich. Viel sinnvoller ist es, den Fokus zu verschieben von Leistung zu Lebensqualität.

Kleine Ziele & große Wirkung

Mikroziele sind realistisch, motivierend und im Alltag integrierbar. Sie helfen dir, das Training flexibel zu halten und Erfolge wahrzunehmen. Ein paar Beispiele für Mikroziele mit MS:

„Ich bewege mich an fünf von sieben Tagen mindestens 20 Minuten.“
„Ich höre nach jeder Einheit bewusst in meinen Körper hinein.“
„Ich probiere diese Woche eine neue Bewegungsform aus.“
„Ich notiere mir drei Dinge, die mir am Training gutgetan haben.“

Diese kleinen Etappen bauen Vertrauen auf: in dich, deinen Körper und deine Routine.

Erfolg neu definieren

Erfolg mit MS ist nicht, den Wettkampf zu gewinnen. Es ist, weiterzumachen, wenn der Körper sich sperrt. Es ist, das Richtige für dich zu tun, auch wenn es außen niemand sieht. Es ist, bei dir zu bleiben, während andere vielleicht vor dir davonlaufen.

Erfolg ist: Ein Spaziergang, obwohl du müde bist
Ein Stopp, wenn du spürst, es wird zu viel
Ein Lächeln, wenn du merkst: „Ich hab’s wieder versucht“

Alternative Sportformen entdecken

Vielleicht brauchst du neue Impulse. Viele klassische Sportarten lassen sich mit MS schwer umsetzen, doch es gibt eine Vielzahl an Alternativen, die dir Bewegung, Freude und Fortschritt ermöglichen:

Yoga oder Mobility Training: für Beweglichkeit, Atmung, Körpergefühl
Aqua-Fitness: ideal bei Hitzeempfindlichkeit oder Gelenkproblemen
Gravel- oder Trekkingbike statt Rennrad: flexibler, entspannter, weniger Tempo-Druck
E-Bike statt Muskelkraft pur: ermöglicht längere Strecken ohne Überlastung
Wandern statt Laufen: gleiche Benefits, geringere Belastung
und noch ein Tipp zum Schluss: Sieh neue Wege nicht als „Abstieg“, sondern als Erweiterung deiner Möglichkeiten.

Von Zielen zur Haltung

Ziele sind wichtig, aber sie sind nur ein Werkzeug. Was dich wirklich langfristig trägt, ist deine Haltung. Eine innere Einstellung, die unabhängig von Tagesform, Wetter oder Fremdurteilen ist.

Diese Haltung sagt: „Ich bewege mich, weil ich es kann, nicht weil ich muss.“ „Ich höre auf, wenn es klug ist, nicht, weil ich schwach bin.“ „Ich freue mich über jeden Schritt, auch wenn es nur einer ist.“

Ziele verschieben heißt nicht, weniger zu wollen

Oft wird Zielverschiebung gleichgesetzt mit Aufgabe oder Selbstbetrug. Aber in Wahrheit geht es um etwas anderes: Nicht weniger wollen, sondern das Richtige wollen. Und zwar für den richtigen Zeitpunkt, die aktuelle Lebenslage, deine körperliche Realität. Klar, ein Marathon ist beeindruckend, aber auch ein Monat regelmäßiger Bewegung ist ein Statement. Und vielleicht stärker als jede Medaille. Alles in Relationen zu betrachten ist eine Kunst.

Motivation finden jenseits der Leistung

Viele Menschen verlieren mit einer chronischen Krankheit die Lust an Bewegung, weil sie sich nur über Leistung definiert haben. Doch es gibt andere Quellen der Motivation:

Natur erleben: Radfahren als achtsames Naturerlebnis
Körperkontakt spüren: Bewegung als Dialog mit dem eigenen Körper
Struktur im Alltag schaffen: Bewegung als Anker
Innere Ruhe finden: Sport als mentale Entlastung
Verbindung mit anderen: Gemeinsam Sport erleben und das ohne Druck

Die Frage lautet also nicht nur: „Was will ich erreichen?“ Sondern irgendwie so in Richtung: „Was will ich fühlen?“

Persönliches Beispiel: Mein verschobenes Ziel

Ich selbst habe früher auf Zeit trainiert (und wenn ich gesunde und fitte Phasen habe, mache ich auch immer noch im Rahmen). Puls, Watt, Pace, alles messbar, alles durchgeplant. MS hat mir das zerschlagen. Ich war schnell frustriert. Ohnmächtig vor mir selbst. Heute ist mein Ziel: draußen sein, spüren, zurückkommen. Ich bin immer noch Sportler. Nur eben anders. Und vor allem zufriedener.

Ziele zu verschieben ist kein Zeichen von Schwäche sondern von innerer Reife. Du nimmst wahr, was möglich ist, was nicht mehr funktioniert, und was stattdessen wachsen darf. Mit MS wirst du vielleicht keine Bestzeiten mehr aufstellen. Aber du kannst deinen ganz eigenen Sportstil entwickeln und das mit deinem Tempo, deiner Form, deiner Energie. Und vielleicht ist genau das die größte Leistung: Trotz Einschränkungen in der Bewegung leben, mit Sinn, mit Freude und Herz.

Wie die Motivation erhalten, wenn es schwerfällt

Die Realität sieht ja anders aus: Die Motivation ist nicht immer da

Vielleicht kennst du das: Am Sonntagabend nimmst du dir vor, in der neuen Woche drei Mal zu trainieren. Am Mittwoch sitzt du auf der Couch, der Körper fühlt sich müde an, die Gedanken kreisen, und der Sportschuh bleibt unberührt. Mit MS ist Motivation ein besonders fragiles Konstrukt. Die Symptome verändern sich, die Tagesform ist unvorhersehbar, und oft kämpft man nicht nur mit innerem Schweinehund, sondern auch mit echtem körperlichem Widerstand. Aber: Motivation ist kein Zufallsprodukt. Sie ist kein Geschenk. Sie ist eine Praxis, etwas, das du mit den richtigen Werkzeugen kultivieren kannst. Und sie beginnt nicht mit „Ich will“, sondern mit einem: „Ich tue es, weil ich kann.“

Akzeptiere deine Form und das jeden Tag neu

Motivation entsteht oft aus Akzeptanz, nicht aus Ehrgeiz. Wenn du lernst, deine Tagesform zu akzeptieren, entsteht ein realistisches Maß an Handlungsfähigkeit. An einem guten Tag: Nutze den Flow, aber übertreibe nicht.
An einem schwachen Tag: Tu das, was möglich ist, vllt. ein paar Mobilitätsübungen, ein Spaziergang, 10 Minuten auf dem Rad. Irgendwas was dir Freude bereitet. An einem gar-nicht-Tag: Ruh dich bewusst aus, ganz ohne Schuldgefühle.

Regelmäßigkeit ist dabei viel wichtiger als die Intensität.

Motivation kommt und geht. Rituale bleiben. Wer Bewegung in den Alltag integriert, hat einen unsichtbaren Verbündeten. Hier ein paar praxiserprobte Strategien: Lege dir eine Mini-Bewegung zu, die du immer machst: 1 Minute Dehnung, 3 Kniebeugen, 10 Schritte. Oft folgt daraus mehr, aber der Einstieg ist der Schlüssel. Trainiere z. B. immer nach dem Frühstück oder nach dem Zähneputzen abends, dein Gehirn liebt Muster. Ist zumindest bei meinem Gehirn so. Und ich glaube das gilt für so ziemlich alle Gehirne. Der einfachste Trick: Lege deine Sportkleidung am Vorabend sichtbar hin. Die Entscheidung ist dann schon halb getroffen. Viele mit MS nutzen eine Sportuhr oder App. Sie kann Motivation fördern, aber auch Druck erzeugen. Nutze sie so, dass sie dich stärkt und nicht stresst: Verfolge Fortschritte lieber im Wochenverlauf, nicht zwingend täglich.
Miss nur, was du beeinflussen kannst z. B. Zeit, Puls, Dauer.
Vermeide ständige Vergleiche mit „früher“ oder mit anderen Nutzern.

Finde deinen tieferen Antrieb

Oft reicht „gesünder sein wollen“ nicht als langfristige Motivation. Du brauchst ein „Warum“, das tief in dir verankert ist. Beispiele: „Ich will beweglich bleiben, um länger unabhängig zu leben.“; „Ich möchte meinem Kind zeigen, dass Aufgeben keine Option ist.“; „Ich brauche Bewegung, um mental stabil zu bleiben.“;„Ich fühle mich nach dem Training mehr wie ich selbst.“ Visualisiere dein Warum und schreib es auf, häng es an den Spiegel, denk daran, wenn’s dir mal schwerfällt.

Wenn die Motivation ausbleibt: diese 5 Dinge helfen

  1. Erlaube dir Unlust
    → Motivation ist kein Dauerzustand. Akzeptiere Phasen der Antriebslosigkeit, ohne sie zu dramatisieren.
  2. Reduziere den Anspruch
    → Statt 45 Minuten Training: 10 Minuten Bewegung. Statt Radfahren: ein Spaziergang.
  3. Nutze Musik oder Podcasts
    → Bewegung wird attraktiver mit Audio-Begleitung, besonders bei lahmen Indoor-Einheiten.
  4. Verabrede dich mit anderen
    → Eine gemeinsame Einheit, seit einiger Zeit sogar digital, kann Wunder wirken.
  5. Führe ein Erfolgsjournal
    → Notiere, was du geschafft hast. Auch kleine Schritte. Sie bauen langfristig Vertrauen auf.

Der mentale Trick: Fokus auf das „Danach“

Nicht: „Ich muss mich jetzt überwinden.“
Sondern: „Wie werde ich mich fühlen, wenn ich es getan habe?“
Meist ist die Antwort: freier, klarer im Kopf, energiegeladener & zufriedener. Trainiere deinen Kopf, das gute Gefühl danach in den Vordergrund zu rücken. Der Start fällt dann deutlich leichter.

Akzeptiere Rückschläge denn sie sind Teil des Weges

Du wirst Einheiten ausfallen lassen. Du wirst Phasen haben, in denen du kaum trainierst. Das ist okay. Entscheidend ist nicht, wie oft du fällst, sondern, wie schnell und wie achtsam du zurückkommst. Nach einer schlechten Phase, probiere doch mal einen Mini-Neustart: Neue Playlist, Frische Bewegungsart, oder kürzere Ziele (z.B. 3 Tage am Stück aktiv sein). Alles kann, nichts muss.

Inspiration statt Vergleich

Suche gezielt nach Geschichten von anderen Betroffenen, die bewegen und nicht entmutigen. Online-Communities wie Reddit, Blogs (Hey na?), YouTube-Kanäle mit ehrlicher Perspektive auf Leben & Bewegung mit MS motivieren oft mehr als perfekte Instagram-Profile. Aber bitte wähle deine Vorbilder mit Bedacht. Sie sollen dich nämlich stärken und nicht stressen. Motivation ist keine Voraussetzung sondern das Ergebnis deiner Haltung. Wer lernt, sich trotz Unsicherheit zu bewegen, stärkt nicht nur den Körper, sondern auch den eigenen Lebenswillen. Mit MS motiviert zu bleiben, bedeutet nicht, jeden Tag voller Energie zu sein. Es bedeutet, trotz Schwankungen dranzubleiben, Routinen zu entwickeln, Rückschläge einzuplanen und sich immer wieder an das zu erinnern, was wirklich zählt:

Du trainierst nicht, um perfekt zu sein.
Du trainierst, um du selbst zu bleiben.
Perfekt unperfekt bist du nämlich schon.

Peace. ♥