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Dopamin, Cortisol & HRV im Training: Wie dein Nervensystem deinen Fortschritt steuert

Um das ganze Thema Training noch tiefer zu beleuchten, bin ich mit meiner Neugierde noch in die Muskeln gekrochen. Nicht nur das Essen, sondern im Endeffekt auch die Chemie des Körpers beeinflussen uns und unser Training.

Den Deepdive habe ich wie folgt aufgebaut:

Sieht erstmal nicht viel aus, hat es aber ganz schön in sich. Viel Spaß beim Lesen!

1. Einleitung: Warum unser Nervensystem über Trainingserfolg entscheidet

Training ist mehr als salziger Schweiß, laufender Timer und Proteinpulver. Es ist vereinfacht ein Spiel zwischen Reiz und Antwort. Wie ein fein abgestimmter Dialog zwischen Belastung und biologischer Anpassung. Das ganze wird vom Nervensystem gesteuert. Genauer gesagt: das autonome Nervensystem (ANS). Es entscheidet, ob du nach dem Lauf motiviert weiter trainierst oder ob du mit zittrigen Beinen und innerer Leere auf der Couch zusammenklappst. Ist jetzt nicht so, als würde ich diesen Moment nicht auch kennen. Des Wegen und auch wegen meiner MS, habe ich mich mit den tiefen Prozessen und Zusammensetzungen „ein bisschen“ befasst. Aber ich schweife ab..

Reiz + Antwort: Wie der Körper Belastung verarbeitet

Jede Trainingssession ist ein physiologischer Reiz, auf den dein Körper mit einem ausgeklügelten, biochemischen Mitteln aus einem scheinbar unendlichen Schrank gefüllt mit Dingen antwortet. Herzfrequenz, Atemtiefe, Hormonausschüttung, Regenerationsprozesse, all diese Dinge sind damit gemeint und die werden zentral gesteuert. Der Reiz kann sinnvoll verarbeitet werden, wenn das System in Balance ist. Gerät es aus dem Gleichgewicht, entstehen Übertraining, Demotivation oder im schlimmsten Fall sogar der böse, chronische Stress.

Die Rolle des autonomen Nervensystems

Das ANS besteht aus zwei Polen: Sympathikus (Fight-or-Flight) und Parasympathikus (Rest-and-Digest). Beide wirken nicht gegeneinander, sondern wie Yin und Yang. Sie modulieren Belastung, Erholung, Aufmerksamkeit und sogar Motivation. Dopamin, Cortisol und die Herzratenvariabilität (HRV) sind keine losgelösten Einzelphänomene, sondern eng mit dieser autonomen Steuerung verwoben.

Wer trainiert, fordert automatisch das ANS heraus. Aber: Wer intelligent trainiert, kooperiert mit seinem Nervensystem. Und genau da liegt der Unterschied zwischen Fortschritt und Frustration. Hui, Alliteration für den Artikel, check.

Warum Psyche, Hormone und Regeneration untrennbar sind

Dopamin steuert Erwartung und Belohnung, also im Bestfall motiviert es uns, den nächsten Lauf anzugehen. Cortisol sorgt dafür, dass wir in akuten Stressphasen leistungsfähig bleiben, vorausgesetzt man übertreibt nicht komplett. Die HRV zeigt uns, wie gut wir regenerieren und ob das System resilient ist. Psyche, Hormone und Regeneration bilden ein Dreieck, das in Echtzeit über Trainingserfolg entscheidet.

Wenn du dein Training wirklich verstehen willst, musst du also dein Nervensystem verstehen. Ja, moin. Und wenn du smart trainieren willst, dann hör auf die Signale, die es dir jeden Tag gibt. Die sind zwar eher unauffällig, aber auf jeden Fall messbar. Da wächst man rein und das klingt jetzt erstmal komplexer als es ist. Schwöre.

2. Dopamin aka der Neurotransmitter für Motivation und Bewegung

Dopamin ist ein alter Bekannter, der in Podcasts, Biohacking-Videos und Selbsthilfe-Ratgebern regelmäßig als „Glückshormon“ auftaucht. Dabei ist das wissenschaftlich gesehen, so ganz sanft ausgedrückt, eine ziemliche Vereinfachung. Dopamin macht nicht glücklich. Es macht hungrig. Hungrig auf Fortschritt, auf Belohnung und vor allem auf das nächste Ziel. Es ist der chemische Antrieb für Vorfreude und zielgerichtetes Verhalten und damit ein zentrales Molekül im Kontext von Training, Leistung und Gewohnheiten.

Ausschüttung bei Belohnung, Vorfreude & Zielverfolgung

Dopamin wird im Gehirn vor allem dann ausgeschüttet, wenn eine erwartete Belohnung in Sicht ist, nicht erst bei der Belohnung selbst. (Also das zweite Überraschungs-Ei wenn man das erste nicht direkt isst. Kennt ihr die Werbung?)
Das macht es zu einem entscheidenden Verstärker im Sport: Der Gedanke an ein gutes Training, an Fortschritt oder an die nächste Laufstrecke kann schon reichen, um das dopaminerge System zu aktivieren. Das Belohnungssystem schiebt an und auf einmal ist der Schweinehund kleiner als gedacht. Das ist zumindest der angestrebte Bestfall.
Aber was macht Dopamin beim Training? Es ist weniger das Feierabendbier danach und mehr der Impuls, überhaupt die Schuhe zu schnüren und loszugehen.

Rolle bei Gewohnheitsbildung & Trainingserfolg

Dopamin spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Verstärkung von Routinen. Wenn ein Verhalten (z. B. Joggen am Montagmorgen) wiederholt wird und regelmäßig mit positiver Erwartung verknüpft ist, wird es automatisiert. Das nennt man im Englischen auch habit loop  und Dopamin ist dabei der wortwörtliche Klebstoff, der diesen Loop zusammenhält. Wer regelmäßig Sport macht, trainiert nicht nur seine Muskeln, sondern auch sein dopaminerges System. Das Ziel ist denkbar einfach: Die Trainingsmotivation kommt dann aus der Tiefe, nicht aus Disziplin.

Trainingsarten mit hoher vs. niedriger Dopaminantwort

Nicht alle Trainingsformen erzeugen die gleiche Dopaminreaktion.

High-Intensity-Training (HIIT) oder Wettkampfvorbereitung pushen kurzfristig besonders stark, hier wird viel Antizipation erzeugt.
Langsame Ausdauerbelastung (z. B. Zone-2-Laufen) stimuliert moderat, aber konstant und ist daher ideal für nachhaltige Routinen und psychische Balance.
Team- oder Spielsituationen (z. B. Ballsport) bieten unvorhersehbare Belohnungsreize, was die Dopaminantwort weiter ankurbelt.

Dopamin-Detox, MS & Motivation, ist das sinnvoll oder eher ein Hype?

Der „Dopamin-Detox“ trendet auf Social Media und wird mir in unregelmäßigen Abständen in die Timeline gespült. Gemeint ist damit oft eine bewusste Reizreduktion, um wieder sensibler auf einfache Belohnungen zu reagieren. Das Konzept ist nicht ganz neu (Verhaltenspsychologie 101), aber wissenschaftlich nur begrenzt belegt. Bei neurologischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose (MS), wo Fatigue und Antriebsschwäche häufig sind, ist der Zusammenhang besonders komplex: Denn MS kann das dopaminerge Systeme funktionell beeinträchtigen. Bei chronischer Erschöpfung wird ein Dopaminmangel diskutiert. Aber Training kann helfen, die motivationale Schwelle zu senken, das heißt nicht über Willenskraft, sondern über gezielte Reizsetzung.
Ob Detox oder nicht: Klar ist, dass MS-Betroffene anders auf Motivation reagieren. Und dass Dopamin ein System ist, das gepflegt werden will, also mit Belohnung, Neugier und der richtigen Dosis Training. Soviel nur am Rande.

Fakten

„Dopamin ist nicht die Belohnung, sondern es ist die Vorfreude darauf.“
Nochmal kurz etwas wissenschaftlicher: Dopamin wird vor allem im ventralen Tegmentum und im Nucleus accumbens freigesetzt. Es fördert zielgerichtetes Verhalten, aber auch die Gewohnheitsbildung. Bei MS gibt es Hinweise auf gestörte dopaminerge Signalwege, was mit Fatigue zusammenhängen kann. So richtig belegt, ist das aber (noch) nicht. Training kann als natürlicher Dopaminmodulator wirken, dann aber idealerweise regelmäßig und sinnvoll dosiert.

3. Cortisol als Stressmanager des Körpers

Cortisol hat ein Imageproblem. In Gesundheitsblogs wird es meist als „Stresshormon“ verflucht, dabei ist es, nüchtern betrachtet, eines der intelligentesten Systeme unseres Körpers. Ohne Cortisol würden wir morgens nicht aus dem Bett kommen, keine Intervall-Läufe überleben und bei der kleinsten Belastung einfach so in die Knie gehen. Aber wie bei allem, was im Leben gilt: Die Dosis macht das Gift. Wer mich aus dem näheren Umfeld kennt, weiß ich, dass ich diesen Satz öfter mal benutze. Ist halt aber wirklich so.

Kurzzeit- vs. Langzeitstress: Cortisol als zweischneidiges Schwert

Cortisol wird in der Nebennierenrinde produziert und folgt einem circadianen Rhythmus. Das bedeutet, der Spiegel ist hoch am Morgen, sinkend im Tagesverlauf. Diese Wellenbewegung ist wichtig, um Belastungen zu managen. Akut freigesetzt, hilft Cortisol dabei, Energie bereitzustellen, Schmerz zu dämpfen und Fokus zu erzeugen. Chronisch erhöht hingegen führt es zu Schlafstörungen, Muskelschwäche, Immunproblemen und bei Trainierenden im Endeffekt zu dem, was keiner möchte: Trainingsplateaus. Ist Cortisol also beim Sport gut oder schlecht?
Kurze Frage, kurze Antwort: Kommt drauf an. Kurzzeitig top, dauerhaft not.

Was passiert beim Sport? (Akute vs. chronische Ausschüttung)

Sport ist per Definition Stress. Aber: guter Stress. Das war kein beabsichtigter Witz. Die akute Cortisol-Ausschüttung bei intensiven Einheiten (z. B. Intervalltraining oder schwerem Krafttraining für die Eisenstemmer) ist gewollt, denn sie unterstützt die Leistungsfähigkeit und Mobilisierung von Glukose. Der Körper fährt hoch, erledigt seinen Job und fährt dann im Anschluss wieder runter.

Problematisch wird es, wenn zu oft zu hart trainiert wird, Erholung ignoriert wird und/oder Schlafmangel die Rückregulation verhindert. Denn dann kippt die Gleichung und aus der Funktion als Stressmanager wird ein chronisch nervendes Instrument. Also ‘ne verstimmte Geige oder so. Den ganzen Tag. Auch nachts.

Die Funktion von Cortisol bei Übertraining, MS & schlechter Regeneration

Bei Übertraining sind chronisch erhöhte Cortisolwerte messbar. Das schlägt sich nieder in schlechter Schlafqualität, erhöhter Ruheherzfrequenz, Reizbarkeit und erhöhter Infektanfälligkeit. Alles absolut nervige Dinge die keiner braucht.

Bei Multipler Sklerose kommt da noch ein weiterer nerviger Aspekt hinzu:

  • Cortisol moduliert Entzündungsreaktionen, was grundsätzlich erstmal hilfreich sein kann.
  • Allerdings reagieren MS-Betroffene sensibler auf Stress, das heißt auch auf den „guten“.
  • Fatigue und Cortisolverwertung stehen in einem engen Zusammenhang: Zu viel Cortisol kann hier nicht pushen, sondern lähmen.

Also bitte aufgepasst, wenn du MS hast, ist Cortisol ein steiles Werkzeug, aber leider auch deine empfindlichste Sollbruchstelle. Mit etwas Gefühl, findest du da aber rein. Du kannst das!

Biohacks zur Cortisol-Regulation (Schlaf, Ernährung, Atemtechniken)

Wie senkt man Cortisol, ohne gleich in einen Ashram zu ziehen?

Schlaf: Priorität Nr. 1. Schon 1–2 Stunden zu wenig erhöhen die basalen Cortisolwerte messbar.

Ernährung: Blutzuckerstabilität = Cortisolstabilität. Komplexe Kohlenhydrate + regelmäßige Mahlzeiten.

Atemtechniken: 4–7–8-Methode, Coherent Breathing oder Box Breathing können das parasympathische System aktivieren.

Cold Exposure & Licht: Kalte Duschen und morgendliches Sonnenlicht synchronisieren den circadianen Rhythmus und damit auch die Cortisolkurve.

Training clever timen: Morgens trainieren unterstützt den natürlichen Cortisolpeak, das ist ideal bei HIIT. Abends dann lieber Zone 2, um das System nicht aufzuheizen, wenn es zur Ruhe kommen sollte.

Mein Tipp: Den erwähnten circadianen Rhythmus beachten
Dein Körper will rhythmisch leben und das sag’ ich nicht nur, weil ich ein erfolgloser Musiker bin. Wer um 5 Uhr morgens HIIT ballert und abends vorm Schlafengehen noch Crossfit-Videos binge-watcht bis 3 Uhr in der Frühe, bringt sein System aus dem Takt. Die Cortisolkurve folgt dem Licht und du solltest deinem Training denselben Rhythmus gönnen. Und so grundsätzlich gilt das natürlich auch für Menschen, die nicht trainieren.

Kurz gesagt: Cortisol ist ein Schutzmechanismus. Wer das erstmal so annimmt und versteht, kann Energie lenken, Regeneration verbessern und Trainingsleistung gezielter steuern. Wer es ignoriert, trainiert gegen die eigene Biochemie und verliert damit auf lange Sicht. Machste halt nix.

4. Herzratenvariabilität (HRV) als unterschätzter Trainingskompass

Aus der Mechanik: Wenn der Puls das Gaspedal ist, dann ist die Herzratenvariabilität (HRV) / Herzfrequenzvariabilität (HFV) die Kupplung. Jeder Autofahrer weiß es, ich sag’s aber mal für alle: Da braucht man also ein bisschen Gefühl für, sonst wird’s schnell richtig holprig. Was gibt denn die HRV an? Sie ist kein simpler Fitnesswert, sondern ein Fenster in dein ganz persönliches, autonomes Nervensystem. Also um die Frage zu beantworten, muss ich ein bisschen ausholen.

Definition & physiologische Grundlagen

HRV beschreibt die zeitlichen Schwankungen zwischen zwei Herzschlägen (RR-Intervalle). Je variabler diese Abstände sind, desto besser ist dein parasympathischer Tonus. HÄ – Was für’n Ding? Das ist die Fähigkeit deines Körpers, flexibel auf Belastung zu reagieren und in die Erholung zu finden.

Wichtiger Punkt, der dazu noch gesagt sei, bevor du dir Sorgen machst: Eine hohe HRV bedeutet nicht, dass dein Herz „unrhythmisch“ schlägt. Es bedeutet, dass das System anpassungsfähig ist. Und genau das ist bei Training, Regeneration und mentaler Belastung entscheidend.

Wie HRV deine Tagesform und Regenerationsfähigkeit zeigt

HRV reagiert sensibel auf:

  • körperlichen Stress (z. B. intensives Training, Krankheit),
  • emotionalen Stress (z. B. Ärger, Überforderung),
  • Schlafqualität,
  • Ernährung, Alkohol, Dehydrierung, also über den Tag so alles, was dein autonomes Nervensystem beeinflusst.

Niedrige HRV am Morgen = Zeichen für Erschöpfung.
Hohe HRV = System bereit, Leistung abrufbar.

Athlet:innen nutzen HRV, um Trainingstage anzupassen. Menschen mit MS oder chronischem Stress können mit HRV-Frühwarnzeichen besser haushalten, quasi schon lange bevor sich Erschöpfung manifestiert. Mein persönlicher Pro-Tipp für alle MS-Betroffenen, überwacht das und ihr lernt soviel über euch selber.

Einfluss von Dopamin & Cortisol auf HRV

Hier schließt sich dann der Kreis so langsam (wird ja auch Zeit..):

  • Dopamin aktiviert, macht bereit.  Aber überreizt langfristig den Sympathikus, wenn keine Gegenregulation folgt.
  • Cortisol senkt die HRV kurzfristig (Fight-or-Flight). Ist also sinnvoll im Notfall, aber eher kritisch bei Dauerstress.
  • Eine hohe HRV zeigt an, dass Dopamin & Cortisol kontrolliert verlaufen. Eine willkürliche Ausschüttung würde das Gegenteil bewirken.

Wer regelmäßig trainiert, gut schläft, kohärent atmet und dann noch Reize dosiert, verbessert seine HRV messbar. Messbar heißt hier aber in Zahlen und nicht zwingend im Gefühl.

Praktische Tools:
Garmin, Whoop, Oura: Was messen die Dinger wirklich?

Die meisten Wearables bieten mittlerweile HRV-Daten. Sie haben aber alle unterschiedliche Algorithmen und demzufolge auch Interpretationen.

  • Garmin: HRV-Messung im Schlaf (nachts), HRV-Status als 7-Tage-Trend
  • Whoop: 24/7-HRV-Tracking mit Fokus auf Strain vs. Recovery.
  • Oura Ring: Fokus auf nächtliche HRV, Schlafphasen und Erholung. Wäre jetzt mein Tipp für MS-Betroffene wegen der besonders niedrigschwelliger Anwendung.

Hier nochmal wichtig: Einzelwerte sagen extrem wenig, die Trends zählen. Erst wer die eigene Baseline kennt, erkennt Abweichungen als solche korrekt und rechtzeitig. Geduld diesdas.

Was ist eine gute HRV und wie kann ich sie verbessern?

Eine gute HRV ist individuell. 60 ms können für die eine Person top, für die andere unterdurchschnittlich sein. Verbesserung erreicht man durch regelmäßiges Ausdauertraining (v. a. Zone 2 – haha!), ausreichenden Schlaf, Alkoholreduktion, langsame Atmung, Kältereize und Achtsamkeitspausen.

HRV ist also keine esoterische Zahl für Tracker-Nerds, sondern ein nüchterner Gradmesser für Systemgesundheit. Wer sie versteht und regelmäßig beobachtet, kann Training besser steuern und im Alltag früher erkennen, wann einfach mal nicht mehr geht. Besonders bei chronischen Belastungen wie MS oder Dauerstress kann das auch auch ein guter Wegweiser sein.

5. Dreiklang verstehen: Wie Dopamin, Cortisol und HRV zusammenhängen

Unser Nervensystem ist kein Schalter, den man einfach auf umlegt und dann geht’s los. Das wäre erschreckend einfach, aber auch irgendwie cool. Unser Nervensystem ist quasi sowas wie ein fein abgestimmtes Orchester, dirigiert vom autonomen Nervensystem, mit dem Sympathikus (Gas geben) und dem Parasympathikus (runterschalten) als erste und zweite Geige. Wenn Dopamin, Cortisol und HRV in Einklang spielen, entsteht Balance. Wenn einer übertönt, kippt das System und das fühlen wir dann: körperlich, mental, im Training und vor allem im Alltag.

Nervensystem als Orchester? Sympathikus vs. Parasympathikus

Dopamin ist wie der Trompeter: Er bläst zur Attacke, wenn’s drauf ankommt – Zielorientierung, Motivation, Vorwärtsenergie.

Cortisol ist das Schlagwerk: rhythmisch, präzise, aber laut – sinnvoll bei Druck, gefährlich bei Dauerfeuer.

HRV ist das Taktgefühl: Gibt an, ob das ganze Ensemble harmonisch spielt – oder aus dem Takt geraten ist.

Das Zusammenspiel entscheidet über Trainingsqualität, Regeneration und langfristige Belastbarkeit.

Hormone vs. Variabilität 

  • Hohe HRV + moderate Cortisolwerte = optimales Fenster für Training.
  • Niedrige HRV + dauerhaft hohes Cortisol = Überlastung, stagnierender Fortschritt, mentale Erschöpfung.
  • Dopamin kann Leistung pushen, aber bei zu häufigem Triggern (z. B. Dauer-HIIT, Social-Media-Belohnungssysteme) steigt der Baseline-Stress. Ergebnis: die HRV fällt, aber das Cortisol bleibt oben. Fuck.

Es gibt  also keine isolierte Wirkung. Alles ist ein Regelkreis.

Wie MS hier reinspielt: Fatigue, Reizverarbeitung, Belastungsmanagement

Bei Multipler Sklerose ist die Reizverarbeitung oft verändert, denn das System ist grundsensibler. Cortisol wird schneller aktiviert, die HRV ist anfälliger für Schwankungen und die Dopaminrezeptoren können unterfunktionieren.

Das Ergebnis:

Mehr Reiz → weniger Energie.
Mehr Leistung → längere Erholungszeit.
Mehr Motivation → oft mit mehr aufgebrachter Energie “bezahlt”.

Deshalb ist die Neuro-Selbstbeobachtung bei MS keine Spielerei, sondern von meiner Neurologin (Grüße gehen raus) zu Recht empfohlener Selbstschutz. HRV, gezieltes Dopamin-Management und Cortisol-Achtsamkeit helfen dabei, frühzeitig gegenzusteuern, bevor die Fatigue zuschlägt.

Kalenderspruch-Analogie: Wer diesen Dreiklang versteht, trainiert nicht nur effektiver sondern lebt stabiler. Ob du für ein Rennen trainierst oder mit MS durchs Leben tapperst: Wenn dein System in Balance ist, spielt dein Alltag in einem besseren Takt. Fakt. Ahu!

6. Trainingsintelligenz?

Man kann sich blind durchs Training prügeln oder mit dem Körper zusammenarbeiten. Ich glaub’ die Entscheidung fällt einem, wenn man nicht Markus Rühl heißt, relativ leicht. Wer das Nervensystem als Partner begreift statt als Blackbox, trainiert nicht nur effektiver, sondern auch nachhaltiger. Ich kann’s nicht oft genug wiederholen. Willkommen in der Welt der Trainingsintelligenz: weniger Push, mehr Feingefühl. Dafür gibt’s dann aber auch messbar bessere Resultate.

Zone-2-Training: Cortisolarme Ausdauer mit hoher HRV

Statt mit Musik ziehe ich die Vergeleiche in dem Kapitel jetzt mal mit Essen. Dann ist Zone-2 das Müsli unter den Trainingsmethoden: unsexy, aber verdammt effektiv. Langes, lockeres Ausdauertraining im unteren Herzfrequenzbereich (ca. 60–70 % der HFmax) aktiviert die Mitochondrien, fördert die Fettverbrennung und senkt langfristig den Ruhe-Cortisolspiegel.

  • HRV steigt, weil der Parasympathikus mittrainiert wird.
  • Cortisol bleibt niedrig, weil der Körper keinen Alarm schlagen muss.
  • Ideal bei MS, in stressigen Alltagsphasen oder zur aktiven Erholung nach intensiven Tagen.

HIIT & Dopamin: gezielt einsetzen, aber nicht ausreizen

High Intensity Intervall Training (HIIT) ist dann wie ein guter Espresso: großartig, aber schafft man nicht literweise. Die kurzen, intensiven Belastungen pushen das Dopaminsystem ordentlich, heben die Laune, steigern die Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig triggern sie Cortisol, was ja wie wir raus gearbeitet haben okay ist, wenn man’s dosiert.

  • Nicht mehr als 1–2x pro Woche.
  • Nicht kombinieren mit Alltagsstress, Schlafmangel oder erhöhter HRV-Sensitivität (z. B. bei MS).
  • Immer mit Regenerationsfenster danach.

Trainingsintelligenz heißt also nicht, dass du verzichten musst. Ich würde es eher taktisch trainieren nennen.

Regeneration neu denken

Der größte Fehler im ambitionierten Training? Pausen als Schwäche zu sehen. Dabei ist Regeneration kein Stillstand, sondern Umbauzeit für den Körper.

  • Cortisol sinkt, HRV steigt, genau das ist der Moment, wo Fortschritt stattfindet.
  • Schlaf, Ernährung und aktive Erholung (Spaziergang, Mobility, leichtes Radfahren) sind keine Nebensachen, sondern Trainingseinheiten für das Nervensystem.

Je besser du regenerierst, desto härter kannst du trainieren und nicht umgekehrt.

Morgenroutine vs. Abendroutine aus Sicht des Nervensystems

Wie kann man denn die Tageszeiten für das Nervensystem am Besten nutzen? Dafür tragen wir doch einfach mal die gesmmelten Informationen zusammen und pressen sie in eine kurze Übersicht:

Morgens:

Cortisol-Peak → gut für intensives Training.
Tageslicht + Bewegung synchronisieren die innere Uhr.
Dopamin-Kick durch To-do’s am Morgen = produktiver Tag.

Abends:

Parasympathische Aktivität steigt, heißt dein Körper will runterfahren.
Ideal für Zone-2-Einheiten, Mobility oder Yoga.
Kein hartes Training mehr, da es die Cortisolkurve verlängert und die Schlafarchitektur stört.

Halten wir fest, dass Trainingsintelligenz nicht heißt, weniger zu wollen, sondern mehr zu verstehen. Wer weiß, wie Dopamin motiviert, wie Cortisol pusht und wie HRV den Takt vorgibt, braucht kein „No Pain, No Gain“. Sondern nur einen Plan, der sich an der eigenen Biochemie orientiert.

9. Quellen & Studien: Für alle die noch tiefer einsteigen wollen

Transparenz ist kein Trend, sondern Voraussetzung. Vor allem, wenn es um Neurobiochemie, Training und Gesundheit geht. Ich denke mir das hier alles ja nicht irgendwie aus, sondern teile meine Erfahrungen und vor allem die zusammen gesammelten Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse anderer. Die folgenden Quellen wurden für diesen Artikel herangezogen oder bieten fundierte Vertiefung für alle, die es genauer wissen wollen:

Wissenschaftliche Studien & Reviews

Herzratenvariabilität (HRV)

  • Shaffer F, Ginsberg JP. An Overview of Heart Rate Variability Metrics and Norms. Front Public Health. 2017;5:258. DOI:10.3389/fpubh.2017.00258
  • Bellenger CR et al. Monitoring Athletic Training Status Through Autonomic Heart Rate Regulation: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Med. 2016;46(10):1461–1486.

Cortisol, Stress und Training

  • Hackney AC. Stress and the neuroendocrine system: the role of exercise as a stressor and modifier of stress. Expert Rev Endocrinol Metab. 2006;1(6):783–792.
  • Duclos M et al. Cortisol and Exercise: A Complex Relationship. Int J Sports Med. 2005;26(3):241–246.

Dopamin, Motivation & Bewegung

  • Salamone JD, Correa M. Dopamine, effort-based choice, and behavioral economics: basic and translational research. Front Behav Neurosci. 2012;6:13.
  • Berridge KC. From prediction error to incentive salience: mesolimbic computation of reward motivation. Eur J Neurosci. 2012;35(7):1124–1143.

MS & neurobiologische Trainingsaspekte

  • Heine M et al. Exercise therapy for fatigue in multiple sclerosis. Cochrane Database Syst Rev. 2015;(9):CD009956.
  • Zimmer P et al. Exercise-Induced Changes in Neuroplasticity Markers and Cognitive Function in MS: A Systematic Review and Meta-Analysis. Mult Scler Relat Disord. 2022;58:103487.

Institutionen & Fachportale

  • World Health Organization (WHO): Stress, Health and Resilience Resources
  • Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP): www.dgsp.de
  • American College of Sports Medicine (ACSM): Richtlinien zu Belastung, Hormonausschüttung und Ausdauertraining

Fachbücher & Metawissen

  • Sapolsky, Robert M. „Why Zebras Don’t Get Ulcers“ – Klassiker zur Neuroendokrinologie von Stress
  • Huberman, Andrew. Podcast + Papers zur Neurowissenschaft im Alltag

In diesem Sinne: Abjegrüßt und rinnjehauen.
Vielen Dank für’s Lesen und viel Erfolg mit den hoffentlich neu gewonnen Erkenntnissen ♥